Artikel von Simonmattia Riva, Biersommelier
Warum bin ich immer in Mode? Weil mir die Mode scheißegal ist (Lucio Battisti).
Wer schon lange Zeit ein Freund des handwerklichen Qualitätsbiers ist, kam nicht umhin zu bemerken, wie sich der Geschmack der Bierkonsumenten in den letzten zehn Jahren immer mehr hin zu bitteren, trockenen Bieren orientierte, als jemals in den Jahren zuvor.
Auf der anderen Seite waren die ersten “Spezialbiere”, die Ende der 80er Anfang der 90er Jahre nach Italien kamen und die von den industriell hergestellten Lager gelangweilten Gaumen schockierten, das bayerische Hefeweizen und die belgischen hochfermentierten Spezialitäten mit typisch hohem Alkoholgehalt. Obwohl sich diese Biertypen sehr voneinander unterscheiden, haben sie eine tendenzielle Süsse und eine gewisse Abgerundetheit des Körpers gemeinsam.
Als die Craft-Revolution wie eine lange Welle von jenseits des Atlantik herüberschwappte, brachte sie dagegen die kräftig gehopften Pale Ales mit, die den Geschmack der Bierkonsumenten prägte, die sich in den Jahren nach der Jahrtausendwende den Qualitätsbieren annäherten: freche zitrusartige oder von tropischen Früchten geprägte Bouquets, schlanker Körper und ein bewusst bitterer Nachtrunk wurden so immer gängiger und gefragter.
In ähnlichen internationalen Wettbewerben erzielte die Biermanufaktur Baladin immer beachtliche Erfolge, obwohl sie in vieler Hinsicht Biere gegen den Trend anbot, weil sie häufig durch einen hohen Zuckergehalt und eine geschmackliche Orientierung charakterisiert waren, bei der Aroma und Geschmack des Hopfens eine Nebenrolle im Vergleich zu den aromatischen Komponenten durch Malze, Hefen und Gewürze spielen, deren Verwendung ein weiteres Erkennungsmerkmal des Hauses aus Piozzo ist.
Signifikante Ausnahme war das im Februar 2009 vorgestellte erste Open, das Publikum und Mitarbeiter gerade wegen des trockenen Körpers und der vom Hopfen eingebrachten beachtlichen Bitteren und Aromen überraschte.
Während sich das Projekt Open in verschiedene Richtungen verzweigte und zahlreiche Varianten erzeugte, scheint die Ursprungsquelle mit L’IPPA wieder ans Licht gekommen zu sein, dem ersten echten IPA der Biermanufaktur Baladin aus 100 % italienischen Rohstoffen.
Die 33 cl-Flaschen mit dem Kronkorken reihen die Neuerscheinung in die Familie der einfach zu konsumierenden Alltagsbiere ein, wie der Stil es will.
In einem amerikanischen Pint, dem mittlerweile vorschriftsmäßigen Glas für die American IPA, zeigt es eine sattes Gold mit schönen bernsteinfarbenen Reflexen: Die leichte Trübung des ungefilterten Biers zeugt von den Hopfenrückständen aus der Kalthopfung, während die feine, elfenbeinfarbene Schaumkrone recht stattlich und haltbar ist.
Neben den erwarteten zitrusartigen Wahrnehmungen, durchzogen von Mandarine, Chinotto di Savona und kandierter Orangenschale, überrascht das Bouquet durch eine lebhafte, würzige Komponente, die an Szechuanpfeffer, eine interessante Cola-Note und – nach einigen Sekunden im Glas – eine warme Nuance wie Kokosmilch mit einer Prise Vanille erinnert. Der Beitrag der Malze beschwört erst im zweiten Schlag auf Weißbrot und Sesamkörner herauf.
Im Mund tritt sofort eine lebendige Spritzigkeit zutage, mit einem eher schlanken, wenn nicht schlichten Körper: zwei Elemente, die L’IPPA entschieden von anderen Produkten aus dem Hause Baladin unterscheiden.
Ein signifikant süßes, aber kurzes Debut, das an Orangenkonfitüre und Sesamkrokant erinnert: Der Antrunk nimmt jedoch sofort durch die Kohlensäure und vor allem durch die blitzartige, dezidierte Bittere Fahrt auf, die den Haupttrunk erfrischt und sich bis zum Nachtrunk ausbreitet.
Rosa Grapefruit, mit einem Hauch ihrer Albedo im Abgang, charakterisiert die Hopfenbittere des L'IPPA am meisten (es sei darauf hingewiesen, dass es sich um Hopfen aus unserem wieder aufblühenden italienischen Anbau handelt), ein Bier, das eine weitere Überraschung im Nachgeschmack für uns bereithält, wo die Pfefferkomponente zurückkehrt, die zuvor unsere Nüstern kitzelte und von einem Abgang kündete, bei dem wir stattdessen ein Auftrumpfen von Mandarinenschale und rosa Grapefruit erleben, die bereits den Nachtrunk charakterisiert hatten.
Die Baladin-Prägung ist in der allgemeinen Ausgewogenheit eines Biers präsent, das nach den Worten Teo Mussos den Gaumen mit seiner spürbar bitteren Prägung kitzelt, ohne jemals beißend zu sein.