Heute sind wir es gewohnt, Bier als ein kohlensäurehaltiges Getränk zu betrachten, aber das war nicht immer so. Die Karbonisierung, die häufig den Gaumen kitzelt, das Trinken einfacher macht und einige Eigenschaften des Biers hervorhebt, wurde erst an einem gewissen Punkt der Menschheitsgeschichte selbstverständlich, als es für die Brauer möglich wurde, eine Nachgärung direkt im Behälter des Endprodukts durchzuführen.
Bis ins Mittelalter wurde Bier «platt» oder mit einem nur angedeuteten Kohlensäuregehalt getrunken. Dies änderte sich radikal, als aufgrund der neuen Techniken bei der Fassherstellung auch Behälter für karbonisierte Flüssigkeiten unter Druck zur Verfügung standen. Und so wurden die Nachgärungsverfahren immer weiter perfektioniert, die älteste Methode, um ein schäumendes Bier zu erhalten. Heute bekommt man die Kohlensäure nicht ausschließlich durch die Nachgärung ins Bier: Die Bläschen vieler, beispielsweise im Pub erhältlicher Biere stammen von dem gelösten CO2 aus der Zapfanlage, die das Gas benutzt, um die Flüssigkeit» durch die Leitung und hinauf zum Zapfhahn bis ins Glas zu “treiben”.
Worin besteht die Nachgärung? Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine zweite Gärung nach der ersten, die ad hoc in den Kesseln stattfindet und den Most in Bier verwandelt. Der Mechanismus ist genau der gleiche, nur dass er nach der Produktion an die Abfüllphase anschließt. Einfach ausgedrückt, fügt der Brauer direkt in den Behälter Zucker hinzu, um den Stoffwechsel der Hefen zu reaktivieren, die ihre “Speise” wieder verdauen und unter anderem Kohlensäure produzieren.
Eben dieses neue CO2 ist zum großen Teil für die finale Spritzigkeit des Biers verantwortlich, weil es nicht in die Umgebung entweichen kann. In Wirklichkeit ist das Verfahren sehr viel komplexer: Zum Beispiel beschließt ein Brauer häufig, zusammen mit dem Zucker “frische” Hefe in den Behälter zu geben – die für die erste Gärung benutzte Hefe ist nun gestresst und fast erschöpft –, die zu demselben Stamm oder mehreren Stämmen gehören kann.
Die meistverbreitete Nachgärungsmethode ist die Flaschengärung, englisch “bottle conditioning”. Allerdings stellt diese Technik in der Geschichte des Getränks eine relativ neue Errungenschaft dar, die erst im 18. Jahrhundert regelmäßig angewendet wurde, als die Flaschenlieferanten in der Lage waren, Produkte aus festerem Glas in Massenfertigung herzustellen, das dem Gärdruck standhalten konnte.
Lange Zeit war die Flaschengärung bei den Brauereien in aller Welt sehr verbreitet, bis sie mit dem Aufkommen der industriellen Lagerbiere einen deutlichen Niedergang erfuhr. Die Wiederentdeckung des handwerklich gebrauten Biers im Verein mit der Verbreitung des Homebrewing-Hobbys hat diese Methode wieder aufleben lassen, wobei sie jedoch schon immer grundlegende Voraussetzung für einige Bierstile war.
Für viele belgische, sowohl obergärige als auch spontan vergorene Biertypen ist die Flaschengärung ein unabdingbares Element. Perfektioniert wurde die Technik dann ebenso von den Trappistenmönchen wie von den Geuze-Herstellern und -Entwicklern. Andere Stile sehen dagegen keine Flaschengärung vor.
Die Flaschengärung wirkt sich nicht nur auf die Karbonisierung aus, sondern auf viele andere Aspekte des Biers. Korrekt durchgeführt, begünstigt die Nachgärung die Bildung und Haltbarkeit des Schaums, die Entwicklung eines komplexeren Aromafächers, ein längeres shelf live als normal und eine geringere Alterungsempfindlichkeit.
Natürlich sind das allgemeine Regeln, die von Fall zu Fall zu bewerten sind und abhängig von dem jeweiligen Braustil Sinn machen. Dagegen scheint die Flaschengärung keine entscheidenden Auswirkungen auf die Oxidationsprozesse zu haben, da die aktive Hefe in der Flasche nur einen kleine Prozentsatz des darin vorhandenen Sauerstoffs absorbieren kann.
In allen Bieren mit Flaschengärung setzen sich die Rückstände (erschöpfter) Hefe auf dem Boden ab, eben jener Hefe, die für die Nachgärung verantwortlich ist. Ein Element, das beim Ausschenken zu berücksichtigen ist, denn wenn die Hefen ins Glas gelangen, können sie das Aroma des Biers leicht “verunreinigen”. In diesen Fällen sollte man also einen Fingerbreit Flüssigkeit in der Flasche belassen, auch wenn die Schulmeinungen in dieser Hinsicht auseinandergehen. In Belgien, wo die Flaschengärung sehr verbreitet ist, ist es manchmal üblich, die die Hefe direkt ins Glas zu schütten, nachdem man die Flasche entsprechend gedreht hat, oder sie getrennt in einem eigenen Glas zu servieren.
Die Flaschengärung ist die älteste Methode, um das Bier spritzig zu machen. Sie kommt heute noch bei einigen traditionellen Stilen zum Einsatz und wirkt sich nicht nur auf die finale Karbonisierung aus.